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the NOTWIST:
Transformationsmaschine Weilheim
westzeit
Das Durchstöbern des
universellen Backkataloges der drei feinen oberbayrischen Label von "Hausmusik",
"Kollaps" und "Payola" gleicht einerbeseelten Gralssuche. Man stolpert
durch ein Dickicht klangvoller Namen wie "Couch", "Pelzig" oder "Spoke",
um am Ende jenem verästeltennotwist'schen Aktionismus in Form von
"Tied & Tickled Trio", "Village Of Savoonga", "Potawatomi" und "Ogonjok"
verklärt gegenüber zustehen und seine Mission feierlich für
beendet zu erklären.
Erinnern wir uns. "Tied
& Tickled Trio". Gerade ein dreiviertel Jahr liegt die Veröffentlichung
ihres Debütalbums zurück, welches gewissenhaft und nachdrücklich
die Fundamente im kariösen Indie-Kosmos abtrug. Diese Mixtur aus On-U-Dub,
60s Jazz und kritteligerElektronika kannte man so bis dahin nur aus Chicago.
Und jetzt also "Shrink", das erste Notwist-Album seit drei Jahren. Mittlerweile
zueinem Quartett mutiert (Console-Mitglied und Elektronik-Junkie Martin
Gretschmann stiess Ende '95 zur Band) lässt sich insbesondere anSongs
wie "Moron", "N.L." respektive "Your Signs" das mit "Tied & Tickled
Trio" geschulte Gespür für subtile Klangdidaktik ablesen. Vorund
zurück. Moderne Chiptechnologie konterkariert verjazzte Bläsersätze.
Und immer noch gibt's gratis drauf diese schludrigen Gitarren,aus denen
Melancholie perlt wie Luftbläschen im Wasserglas. Ehrensache, dass
heute Verzerrung und Dissonanz wie noch zu "Nook"-Zeiten ananderer Stelle
stattfinden. Notwist haben stringent den Gedanken von "12", ihrem letzten
Album, weitergedacht und an ein neues Ästhetikgefühl gekoppelt.
Was das Resultat beinahe soundtrackartig und den Titel "Shrink" im selben
Atemzug paradox erscheinen läßt. Understatement oder ironischer
Verweis? Markus Acher, der sich mit seinem unentwegt gähnenden Bruder
Micha und Martin Gretschmann um denwackligen Tisch im Cafe Zentral drückt,
lächelt versonnen: "Da steckt schon eine gewisse Ironie drin, ganz
klar. Wenn man bedenkt, dasswir unseren musikalischen Radius immer versucht
haben, zu erweitern."
Auf der anderen Seite beschreibt
der Titel aber auch perfekt jene Homogenität, die den Songs zugrunde
liegt. Das Gretschmanns musikalisches Eingreifen mittels PC-Analytik nicht
das notwist'sche Fluidum perforiert, sei in diesem Zusammenhang als Lob
verstanden. Hatder bei "Tied & Tickled Trio" praktizierte Arbeitsablauf,
dem eine grössere Improvisation zugrunde lag, diese Homogenität
noch gefördert?"Na, in gewisser Hinsicht schon. Es war eine Art Initialzündung
für uns, die den Umgang mit der Materie erleichterte. Einfach, weil
mansich von alten Schemata trennte. Wir haben beispielsweise auf "Shrink"
viel mehr den Mut gehabt, zu experimentieren. Das Selbstverständniswar
diesmal ein anderes. Dadurch bist du natürlich lockerer, was wiederum
Einfluss auf die Songs hat."
Förderlich ist aber
auch sicherlich die Tatsache, dass sich in Weilheim, fernab der Metropolen,
klammheimlich eine der kreativsten Szenenkristallisiert hat. Eine Szene,
deren flinke Kommunikation und Kreativbefeuerung mittlerweile als nachahmenswertes
Modell für andereDistrikte herhalten muss, und als Inbegriff nationalen
Undergrounds durch die Kulturlandschaft rauscht. Markus hat damit keine
Probleme. Auch dann nicht, wenn man Weilheim mit mighty Chicago vergleicht.
"Ich würde es als so eine Art Pendant bezeichnen, weil die Dinge dort
inmusikalischer Hinsicht ähnlich ablaufen wie bei uns. Ausgehend von
diesem Gitarren-Core-Bereich hat sich die Szene fast zeitgleich neuorientiert.
Dabei schaute man auch, was der andere so macht, hat das vielleicht in
den eigenen Stil integriert, wodurch am Ende dieserneue Sound entstand."
Sagt's, um mich kurz darauf
zu fragen, wie man denn am besten zu "Normal" käme. Er würde
da noch dringend ein paar Platten suchen.
Daniel Hoffmann |