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november, 26th
 
 
the NOTWIST: Transformationsmaschine Weilheim
westzeit

Das Durchstöbern des universellen Backkataloges der drei feinen oberbayrischen Label von "Hausmusik", "Kollaps" und "Payola" gleicht einerbeseelten Gralssuche. Man stolpert durch ein Dickicht klangvoller Namen wie "Couch", "Pelzig" oder "Spoke", um am Ende jenem verästeltennotwist'schen Aktionismus in Form von "Tied & Tickled Trio", "Village Of Savoonga", "Potawatomi" und "Ogonjok" verklärt gegenüber zustehen und seine Mission feierlich für beendet zu erklären.  
Erinnern wir uns. "Tied & Tickled Trio". Gerade ein dreiviertel Jahr liegt die Veröffentlichung ihres Debütalbums zurück, welches gewissenhaft und nachdrücklich die Fundamente im kariösen Indie-Kosmos abtrug. Diese Mixtur aus On-U-Dub, 60s Jazz und kritteligerElektronika kannte man so bis dahin nur aus Chicago. Und jetzt also "Shrink", das erste Notwist-Album seit drei Jahren. Mittlerweile zueinem Quartett mutiert (Console-Mitglied und Elektronik-Junkie Martin Gretschmann stiess Ende '95 zur Band) lässt sich insbesondere anSongs wie "Moron", "N.L." respektive "Your Signs" das mit "Tied & Tickled Trio" geschulte Gespür für subtile Klangdidaktik ablesen. Vorund zurück. Moderne Chiptechnologie konterkariert verjazzte Bläsersätze. Und immer noch gibt's gratis drauf diese schludrigen Gitarren,aus denen Melancholie perlt wie Luftbläschen im Wasserglas. Ehrensache, dass heute Verzerrung und Dissonanz wie noch zu "Nook"-Zeiten ananderer Stelle stattfinden. Notwist haben stringent den Gedanken von "12", ihrem letzten Album, weitergedacht und an ein neues Ästhetikgefühl gekoppelt. Was das Resultat beinahe soundtrackartig und den Titel "Shrink" im selben Atemzug paradox erscheinen läßt. Understatement oder ironischer Verweis? Markus Acher, der sich mit seinem unentwegt gähnenden Bruder Micha und Martin Gretschmann um denwackligen Tisch im Cafe Zentral drückt, lächelt versonnen: "Da steckt schon eine gewisse Ironie drin, ganz klar. Wenn man bedenkt, dasswir unseren musikalischen Radius immer versucht haben, zu erweitern."
Auf der anderen Seite beschreibt der Titel aber auch perfekt jene Homogenität, die den Songs zugrunde liegt. Das Gretschmanns musikalisches Eingreifen mittels PC-Analytik nicht das notwist'sche Fluidum perforiert, sei in diesem Zusammenhang als Lob verstanden. Hatder bei "Tied & Tickled Trio" praktizierte Arbeitsablauf, dem eine grössere Improvisation zugrunde lag, diese Homogenität noch gefördert?"Na, in gewisser Hinsicht schon. Es war eine Art Initialzündung für uns, die den Umgang mit der Materie erleichterte. Einfach, weil mansich von alten Schemata trennte. Wir haben beispielsweise auf "Shrink" viel mehr den Mut gehabt, zu experimentieren. Das Selbstverständniswar diesmal ein anderes. Dadurch bist du natürlich lockerer, was wiederum Einfluss auf die Songs hat."  
Förderlich ist aber auch sicherlich die Tatsache, dass sich in Weilheim, fernab der Metropolen, klammheimlich eine der kreativsten Szenenkristallisiert hat. Eine Szene, deren flinke Kommunikation und Kreativbefeuerung mittlerweile als nachahmenswertes Modell für andereDistrikte herhalten muss, und als Inbegriff nationalen Undergrounds durch die Kulturlandschaft rauscht. Markus hat damit keine Probleme. Auch dann nicht, wenn man Weilheim mit mighty Chicago vergleicht. "Ich würde es als so eine Art Pendant bezeichnen, weil die Dinge dort inmusikalischer Hinsicht ähnlich ablaufen wie bei uns. Ausgehend von diesem Gitarren-Core-Bereich hat sich die Szene fast zeitgleich neuorientiert. Dabei schaute man auch, was der andere so macht, hat das vielleicht in den eigenen Stil integriert, wodurch am Ende dieserneue Sound entstand." 
Sagt's, um mich kurz darauf zu fragen, wie man denn am besten zu "Normal" käme. Er würde da noch dringend ein paar Platten suchen.
 

Daniel Hoffmann