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the NOTWIST:
Weilheimer Strebsamkeit
splitter magazin
Das Phänomen Weilheim
ist in der ganzen Republik bekannt und noch immer unerreicht. In diesem
winzigen, verkafften Fleckchen Bayerns hat sich eine Community aus strebsamen,
jungen Künstlern gefunden, die fast täglich neue musikalische
Errungenschaften aus dem Boden stampft. Mit von der Partie (und das mit
großem Anteil) sind die in der Indie-Szene (hier und in den USA)
geliebten Notwist, die vor einiger Zeit "Shrink" in die Läden stellen
ließen, um dem Warten ihrer Fans endlich ein Ende zu setzen. Ich
unterhielt mich bereits eine Woche vor Release des Albums (es war Mitte
Mai) mit Martin Gretschmann.
Besagter Martin hat ein
Faible für Leonard Cohen. Besonders dann wenn er nach langen anstrengenden
Sessions im eigenen Studio zu Hause abspannen und wieder zurück zur
inneren Ruhe finden will. Abgesehen von Console ("Rocket In The Pocket"
erschienen bei Community/Virgin) widmet er sich auch bei Notwist den elektronischen
Ergänzungen, die seit deren Album "12" stetig an Bedeutung gewonnen
haben. Doch das sind nicht alle Veränderungen.
"Wichtig war vor allem,
diese Platte ganz anders aufzunehmen als frühere Scheiben", erklärt
der Notwist-Neuling. "Dieses Mal wurde nach den eigentlichen Aufnahmen
mit einzelnen Instrumenten bzw. den Spuren experimentiert. Sie wurden je
nach Lust und Laune verfremdet oder anderweitig verändert. Anschließend
fügten wir die Spuren wieder zu einem kompletten Song zusammen.
Neu sind auch die vielen
Jazzeinflüsse, eine Idee, die schon länger in den Köpfen
der anderen geisterte, allerdings erst jetzt entsprechend umgesetzt werden
konnte."
Die Weilheim-Connection
finanziert ihre Scheiben zum großen Teil aus eigener Tasche, wobei
derzeit die Tendenz dahingeht, daß sich einzelne Projekte selbst
tragen. Zumindest nach etwa zwölf Monaten sind die Produktionskosten
zumeist eingespielt. Neben dem Geld gibt es nur eine einzige Sache, die
der Strebsamkeit querschießen könnte:
"Mein Wunsch ist es, daß
die Ideen nie ausgehen und wir noch lange weitermachen können. Ich
habe die Befürchtung, daß ich irgendwann aufwache und mein Kopf
leer ist. Ideen zu verwerten ist eine Sucht. Alle Ideen werden ja sofort
mehr oder weniger verarbeitet. Ich arbeite oft mit Samples und hebe mir
nie Ideen auf. Wenn etwas zu einem Song paßt wird es eben eingebaut." Und gerade das macht Martin
Angst, denn er hebt keine Ideen für eine etwaige Phase der Rat- und
Tatlosigkeit auf. Hoffentlich geht das auf Dauer gut.
Kai Florian Becker |