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The NOTWIST
Da man sich den Namen dieser
Band wirklich merken sollte – The Notwist – muß er heute öfter
genannt werden als an anderen Tagen. The Notwist The Notwist. Denn gerade
ist ihr neues Album erschienen. The Notwist kommen aus Weilheim, südwestlich
von München – das muß man sich allerdings nicht merken, denn
dieses Thema verschweigt ihre Musik. Für Oberbayern ist kein Platz
im Psycho-Underground.
1989 von Markus Acher (g/voc),
Michael Acher (b) und Mecki Martin Messerschmid (dr) gegründet, waren
The Notwist eine bemerkenswerte Abwechslung im Gitarren-Rock-Hardcore-
Crossover-Whatever-Dschungel. Im folgenden Jahr erschien ihr Debüt-Album,
es folgten diverse Touren und 1992 das immer noch erfreulich verrückte
Kopf-Metal-Album ,Nook‘ – Nirvana & Post-Punk hatte diese Band schon
damals mehr als verstanden und europäisch weitergedacht. Und während
immer mehr Trendividualisten brav alternative an dreiakkordischem Kunsthandwerk
feilten, entwickelten The Notwist was ganz anderes; etwas, das ihre Musik
bis heute einzigartig macht: Unberechenbarkeit.
1993 ging die Band mit Therapy?
auf Deutschland-Tour, es folgten Gigs in England, Holland und Österreich.
Auf der Mini-LP ,Johnny And Mary‘ coverten sie, zusammen mit befreundeten
Bands, einen Song von Robert Palmer. Touren, Gigs und 1995 Auftritte mit
18th Dye, unter anderem auch bei Viva in Wah Wah – Blabla. Das dritte Notwist-Album
heißt ,12‘, die Single ,Torture Days‘ überzeugte die musikbewertenden
Medien und landete u. a. in den britischen Indie-Charts. Weitere Erfolge
folgten in Holland, in den USA und sicher auch in Weilheim. 1997 heißt
es dann „Wir drei sind vier": Martin Gretschmann wird Band-Mitglied, und
der spröde Gitarren-Sound von The Notwist wird mit Keyboards, Electronics,
Samples & Jazz-Feeling kontrastiert. Und ,12‘ wird in den USA veröffentlicht,
Live-Gigs folgen, das neue Album ,Shrink‘ entsteht...
Interessant: Die Produkte
der mit Notwist seit Jahren verbundenen Dortmunder Company „Community"
werden seit Anfang des Jahres vom Musikgroßhändler „Virgin"
vertrieben, der so indirekt endlich beweisen konnte, doch noch etwas Gespür
für Originalität made in Germany zu haben: Punk-Light von den
Bates und Scheiße-pur von den Onkelz, das war ja schließlich
nicht die Welt. Herzlichen Glückwunsch! Und hoffentlich nützt
es einer Band, wie The Notwist was, daß ihre hochwertigen Produkte
nun endlich auf eine Vertriebs-Infrastruktur treffen, die den CD-Händler
und damit die Käufer effektiver erreichen könnte als vorher.
Denn trotz inzwischen langjähriger, wachsender Erfolge, trotz zahlreicher
Nebenprojekte (von Rock bis Jazz, von Filmmusik bis Roll, inklusive CD-Veröffentlichungen
der Bands & Projekte Village Of Savoonga, Rayon, Potawatomi, trotz
Live-Arbeit mit Family Affair und den New Orleans Dixie Stompers, der Band
des Vaters von Michael & Markus Acher) ist die Musik für die vier
Notwist-Angestellten mit Zweitjobs kein finanziell lohnendes Gewerbe. Kann
sich das mit dem neuen Album ändern? Klar, wenn sich rausstellt, daß
The Notwist in Wirklichkeit die Smashing Pumpkins sind. Oder The Residents.
Oder Velvet Underground. Denn so ist das nun mal mit den Propheten im eigenen
Land: Endlich gelten sie was, aber der Schritt aus dem Underground bleibt
schwierig – und gelingt er, dann hat man ja in der Regel bei vielen alten
Fans verspielt: „Die werden jetzt kommerziell ..."
Verrückt, wenn man beim
Genuß von Shrink merkt, daß Notwist schon jetzt Popmusik spielen,
aber eben die von übermorgen. Übermorgen in Deutschland, Pumpkins-Fans!
Und außerdem auch anspruchsvolle Musik für im Moment vielleicht
etwas enttäuschte Pumpkins-Fans ...
The Notwist heute: Sie sind
Ende 20, haben eigentlich nie was anderes als Musik gemacht, vielleicht
mal nebenbei studiert. Seit wann können sich die Beteiligten mit ihrem
Job finanzieren, frage ich. Micha grinst: „Ab wann können wir uns
damit finanzieren?" Markus Acher: „Seit nächstes Jahr vielleicht?"
Aha. Geld kommt von allen möglichen Aktivitäten zusammen, aber
immer nur ein bißchen; dabei spielen die oben genannten „Nebenprojekte"
eine Rolle. „Mit der Dixie-Band kann man was verdienen, mit den anderen
Projekten nicht. Aber das ist schon eine ganz andere Art von Musikmachen
mit der Dixieland-Band, das ist die andere Seite der Live-Musik, die wir
so kennenlernen. Das kann schon sehr ernüchternd und prägend
sein."
Das 1995er Notwist-Album
,12‘ hat immerhin knapp fünfstellig verkauft, ein beachtlicher Erfolg,
der aber letztendlich noch nicht mal nach den Traumvorstellungen riecht,
den viele junge Musiker mit einem „Platten-Deal" und einer „Profi-Karriere"
verbinden. „Es gibt da viele Mythen, mit denen muß man ganz radikal
aufräumen", meint Markus. „Wichtiger ist, wenn man merkt, daß
man auch selbst etwas tun kann, zusammen mit anderen Musikern ein Label
gründet, und sich so gegenseitig helfen kann eigene Platten zu veröffentlichen
und Konzerte zu organisieren."
18th Dye, Sharon Stoned,
Locust Fudge – in dieser musikalischen „Clique" sieht Keyboarder Martin
Gretschmann The Notwist. Ich höre ebenfalls gemeinsame Vorlieben mit
18th Dye (die es vielleicht demnächst doch wieder gibt ...?!?), aber
auch Stimmungs-Parallelen mit Ex-Velvet-Underground-Chanteuse Christa Päffgen
in ihrer Endphase – ,Another Planet‘ vom aktuellen Notwist-Album hört
sich an, wie wenn man eine Nico-Nummer mit doppeltem Tempo abspielt. Und
direkt anschließend bei Track 4, ,Moron‘, erinnern die Bläsersätze
extrem an John Scofields Acoustic-Album ,Quiet‘, bzw. an Gil-Evans-Orchestrationen,
,Electric Bear‘ an Can & an Nico – es ist einfach nur Markus’ traurige
Stimme, wobei sein Englisch akzentfreier ist, als ihres – und ,Your Signs‘
hat den Groove eines Van-Morrison-Songs aus der Zeit von ,St. Dominic’s
Preview‘. Und da sind schon wieder die Scofield-Bläser ... „Diese
Scofield-Sachen habe ich mir auch ziemlich viel angehört", meint Michael
Acher. „Aber in erster Linie wegen den Bläser-Arrangements."
„Mit Nico das ist eher zufällig,
die Sachen kennen wir kaum. Aber Can sind schon wichtig, gerade für
die Rhythmik: dieses Statische, aber trotzdem sehr Groovige in ihrer Musik
ist schon beeindruckend ..."
Facts: Folgende Alben sind
von Notwist erschienen: Notwist (1990), Nook (1992), Johnny and Mary (Maxi-Sampler
1993), 12 (1995), Torture Day (Single 1995), Live (1996), Day 7 (EP 1997),
Shrink (1998)
Die komplette Story über
The Notwist, und noch eine Menge mehr, findet man in Gitarre & Bass
06/98
Lothar Trampert |